Heute so erlebt beim Bäcker am Hauptbahnhof. Ein Dialog zwischen einer Mutter und ihrer Tochter in der Schlange hinter mir.
Was möchtest du denn haben? Such dir was aus.
Eine Breze.
Wir fahren jetzt dann dreieinhalb Stunden im Zug. Reicht Dir da ne Breze? Nimm doch was anderes.
Ich möchte gerne eine Breze.
Aber dann hast Du später um Zug wieder Hunger und dann gibt’s Geschrei.
Dann nehm‘ ich das da. (zeigt widerwillig auf ein belegtes Brötchen)
Da ist ein Schnitzel drauf. Ne, das nehmen wir nicht. Das isst du wieder nicht auf.
Dann will ich eine Breze.
(zur Verkäuferin) Hallo, wir hätten gerne ein Fladenbrot und ein Schinken-Käse-Brötchen…
Hach, schön, wenn man Kindern eigene Entscheidungen überlässt. Ein Kind kommt sich dann auch überhaupt nicht verarscht vor. (Achtung! Der vorangegangene Satz enthält Ironie.)
Mein Sohn ist erst 3 1/2 Monate alte und daher dauert es noch etwas, bis wir ihn nach eigenen Entscheidungen fragen können. Dennoch mache ich mir bereits jetzt Gedanken darüber.
Kinder sollten bereits früh lernen, eigene Entscheidungen zu treffen und auch lernen, dass diese Entscheidungen Konsequenzen haben. In diesem Beispiel hat sich das Kind für eine Breze entschieden. Die Konsequenz ist womöglich, dass das Kind nachher noch Hunger hat, wenn die Breze nicht ausgereicht hat. Das Kind wird das lernen. Vielleicht nicht beim ersten Mal, aber nach und nach.
Das ist jetzt keine lebensverändernde Entscheidung. Bei Entscheidungen, die das Leben des Kindes nachhaltig beeinflussen, sollten die Eltern durchaus eingreifen und das Kind bei der Entscheidung unterstützen. Die Eltern sollten die möglichen Optionen und die daraus resultierenden Konsequenzen besprechen. Ich halte es jedoch für einen Fehler, dem Kind jegliche Entscheidungen abzunehmen. Später wird dieses Kind es dann schwerer haben, richtige Entscheidungen zu treffen.
Nun kenne ich natürlich die Motive der Mutter aus dem Beispiel nicht. Wenn es einen Grund gibt, die Auswahl für das Kind einzuschränken, wäre es in meinem Augen besser gewesen, diese Einschränkung von vorneherein zu kommunizieren. z.B. „Möchtest Du ein belegtes Brötchen mit Schinken oder eines mit Salami?“
Das Kind weiß dadurch genu, welche Optionen es hat und dass z.B. eine Breze keine Option ist. Zwar kann das Kind dennoch fragen, ob es lieber eine Breze haben kann und die Mutter kann dies dann bejahen oder verneinen und ggf. begründen. Je nach Alter des Kindes kann das sogar sehr wichtig sein, um das Kind nicht mit zu vielen Optionen zu überfordern.
Mit der Frage „Was möchtest du denn haben? Such dir was aus.“ gab es jedoch keine Einschränkung. Das Kind musste also davon ausgehen, dass es sich ein beliebiges Produkt aus der Auslage aussuchen durfte. Dass das Ausgesuchte dann aber konsequent verwehrt wurde und die Mutter am Ende über den Kopf des Kindes hinweg entschieden hat, kann ein Kind durchaus frustrieren.
Ich habe in einem Elternratgeber gelesen, dass man ein Kind mindestens einmal pro Tag frustrieren soll. Denn es muss lernen, mit Frust umzugehen. Ich gehe aber eher davon aus, dass das nicht so gemeint war, wie es hier beim Bäcker passiert ist.
Ich hoffe, dass dem Mädchen das Schinken-Käse-Brötchen trotzdem schmeckt, auch wenn es lieber eine Breze gehabt hätte.