Als werdende bzw. Jungeltern sieht man sich mit tausenden Problemen, Situationen und Entscheidungen konfrontiert, über die man sich vorher nie Gedanken machen musste. Die größte Herausforderung ist bei alledem: Man trägt die Verantwortung für dieses kleine große Leben. Egal, was du entscheidest, wie du handelst, wie sorgfältig oder nachlässig du bist…. alles hat unmittelbar, egal ob kurz- oder langfristig, Einfluss auf dein Kind und kann im Worstcase über Leben und Tod entscheiden. Und diese Verantwortung kann einem richtig, richtig große Angst machen.
Deshalb ist es völlig natürlich, dass Eltern alles dafür tun, um möglichst alles richtig zu machen und natürlich jegliche schädliche Einflüsse vom Nachwuchs fern zu halten.
Das eine Extrem, sogenannte „Helikoptereltern“, ist mittlerweile ein gängiger Begriff für Eltern, die ihre Kinder in Watte, Luftkissenfolie oder Schaumstoff packen, wahlweise das Kind oder die Umgebung in Desinfektionsmittel baden. Das Kind kriegt nur Bio, alles zuckerfrei und alles möglichst öko, Holzspielzeug, natürlich nur pädagogisch wertvoll. Sie prüfen stündlich die Temperatur, fahren beim kleinsten Kratzer in die Notaufnahme und verfallen regelmäßig in Panik, wenn das Kind z.B. eine Kastanie oder Nachbars Katze angefasst hat…. Diese Kinder laufen ja Gefahr, hochallergisch auf sämtliche Umwelteinflüsse zu reagieren, wenn sie zuhause nahezu steril aufwachsen.
Diese Eltern kombinieren die Gluckerei oft mit dem „Laissez fair“ genannten Erziehungsstil. Es gibt keine Regeln und keine Konsequenzen. Und auch hier stellt sich mir die Frage: Wie soll das Kind später Lehrer, Vorgesetzte und Vorgaben akzeptieren? Wie sollen Mitmenschen mit diesen ungebändigten Kindern umgehen, die oft keinen Respekt vor den Grenzen und Eigentum der Mitmenschen haben?
Die Eltern übernehmen auch gerne das Aussuchen der Spiele, der Freunde, verwehren ihren Kindern den sozialkontakt- und verkehrserfahrungstechnisch wichtigen Schulweg und bringen sie am liebsten mit dem Familien-SUV bis ins Klassenzimmer oder in die KiTa. Sie falten Lehrer zusammen, wenn der kleine Prinz in der Schule schlechte Noten schreibt und schreiben für die Prinzessin die Bewerbungen…. Aber wie sollen diese Kinder denn je selbständig werden und in der „freien Wildbahn“ überleben? Und wie sollen die mal in Schule, Studium, Beruf, ganz zu schweigen vom sozialen Leben für sich selbst und andere Verantwortung übernehmen oder abstrakte Lösungswege finden, wenn ihnen alles abgenommen wird? Wie sollen sie je den Mut besitzen, auch mal etwas zu riskieren? Sich etwas zuzutrauen und einfach so lange zu probieren, aus Erfolg und Misserfolg lernen, bis sie es schaffen? Und vor allem dieses Hochgefühl erleben, wenn sie es aus eigener Kraft geschafft haben!
Kurz: Diese Eltern haben offensichtlich eine so enorme Angst davor, dass ihr Kind dem echten, „bösen“ Leben begegnet, dass sie es vor allem schützen möchten.
Leider geht das nicht. Es ist Wunschdenken. Denn irgendwann schlägt das Kind ungebremst und völlig unvorbereitet in der harten Wirklichkeit auf. Es wird sich überfordert fühlen und vor lauter Angst oder Frust sich kaum bewegen trauen. Ich denke, dass dies eigentlich nicht das Ziel der Eltern ist. Und was wird sich das Kind dann denken? Danke für die tolle Vorbereitung? Ich fühle mich selbstbewusst und geübt genug, um mich selbst gut zurechtzufinden? Nun, vermutlich nicht.
Vor einiger Zeit sind mein Mann und ich zufällig über diesen Beitrag über eine „neue“ Erziehungsmethode gestolpert und haben festgestellt, wir wenden das bereits längst an. Zu Deutsch: MEML – Macht euch mal locker!
Vermutlich lag das auch an unserer tiefenentspannten Hebamme Ina Rußner aus Lauf, die ich jeder werdenden Mama wärmstens ans Herz legen kann.
Ina hat uns sehr gut vorbereitet und uns viele Ängste genommen. Dass man sie zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen kann, hat uns noch einmal zusätzlich Sicherheit gegeben. Denn auch, wenn man sich vorgenommen hat, immer ruhig zu bleiben – es ist einfach eine völlig neue Situation und als Neueltern hat man keinerlei Erfahrungswerte.
Dennoch versuchen wir entspannt zu bleiben. Wir wollen und können unser Kind eben nicht vor allem schützen, nicht in Watte oder Luftpolsterfolie packen. Unser Kind darf mit Dreck in Berührung kommen, darf hinfallen, sich Knie und Kopf stoßen, sich selbst ausprobieren und eigene Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge sammeln. Wir haben zwei Katzen und desinfizieren die Wohnung nicht. Saugen und Putzen reicht. Unser Kind krabbelt herum, beschmust und verfolgt die Katzen, lutscht am Gummi-Türkeil herum, dotzt mit dem Kopf an den Tisch und wenn er mal hinfällt, wird erst kurz abgewartet, ob was passiert ist, oder ob es nur der Schreck war. Meist gibt es ein kurzes Quäk, er guckt zu uns, ob und wie wir reagieren, rappelt sich wieder auf und macht fröhlich weiter im Programm.
Aktuell beginnt er das freie Stehen auszuprobieren. Er hält sich fest, lässt los, steht frei und freut sich über seinen Erfolg. Und das wiederum steigert sein Selbstbewusstsein und er probiert fleißig weiter.
Und wir schauen gespannt entspannt zu und ermutigen ihn. Und hoffen, dass wir mit unserer Art von MEML einen guten Mittelweg zwischen „verantwortungsvoller Erziehung“ und „Freiraum lassen“ finden.