Katherine Langford, Dylan Minnette (Foto: Beth Dubber/Netflix)

Tote Mädchen lügen nicht

Vor Kurzem veröffentlichte Netflix die zweite Staffel der Serie, die im Original „13 reasons why“ lautet. Bereits die erste Staffel sorgte für Gesprächsstoff. Nicht nur positiver Art.

PlakatTote Mädchen lügen nicht basiert auf dem Bestseller von Jay Asher und handelt von einem Teenager namens Clay Jensen, der eines Tages von der Schule nach Hause kommt und auf der Terrasse ein rätselhaftes Päckchen mit seinem Namen darauf vorfindet. Das Paket enthält Audiokassetten, die von seiner Mitschülerin und seinem Schwarm Hannah Baker aufgenommen wurden. Diese hat zwei Wochen zuvor Selbstmord begangen. Auf den Kassetten legt Hannah 13 Gründe für ihren Selbstmord dar. Ob er selbst einer davon ist, wird Clay beim Zuhören erfahren. Hannahs und Clays parallele Handlungsstränge mache führen durch die Serie und decken nach und nach auf, was vor Hannah’s Selbstmord passiert ist.

Netflix bewirbt die Serie zu Recht mit einem Warnhinweis:

„Tote Mädchen lügen nicht“ greift schwierige reale Probleme auf und behandelt dabei u. a. sexuelle Gewalt, Drogenmissbrauch und Selbstmord. Durch die Darstellung dieser schwierigen Themen hat Netflix Dialoge und Diskussionen angestoßen und setzt sich für deren Unterstützung ein.
Für jemanden, der mit diesen Problemen zu kämpfen hat, könnte diese Serie möglicherweise nicht geeignet sein. Folgende Tools können bei der Diskussion helfen:
13REASONSWHY.INFO

Unter der angegebenen Internet-Adresse finden sich Hotlines, bei denen Jugendliche Hilfe finden. Zudem beinhaltet die Seite auch eine Gesprächsleitfaden für Angehörige und weitere Informationen über die Serie. Netflix spielt zudem vor jeder Episode einen etwa 1-minütigen Trailer ab, in dem die Darsteller der Serie vor den Inhalten warnen. Am Ende der letzten Episode zeigt Netflix automatisch eine Gesprächsrunde mit den Darstellern, Autoren und Psychologen.

Doch, muss eine Serie denn überhaupt produziert werden, wenn man die Zuschauer vor ihr warnen muss? Ich schreibe diese Zeilen, während ich die erste Staffel bereits gesehen habe, die zweite jedoch noch nicht. Und ich bin mir auch noch unschlüssig, ob ich sie mir ansehen soll. In der ersten Staffel hatte ich bereits mit jeder Folge mehr das Gefühl, dass Hannah in der Serie viele mögliche Auswege aus dem Mobbing-Terror hatte, diese aber nicht nutzte. Sie hatte sich sogar jemandem anvertraut, der seine Hilfe anbot. Doch anstatt die Hilfe anzunehmen, brachte sie sich um und machte den Vertrauenslehrer sogar zu einem der Gründe für ihren Suizid.

Clay besucht den VertrauenslehrerIn meinen Augen suggeriert die Serie permanent, dass Selbstmord die einzige Lösung sei, indem Hannah, die ihr gebotene Hilfe konsequent ignoriert. Hinzu kommt, dass Hannah – auch wenn sie während der Handlung der Serie bereits tot ist – durch die Kassetten während der gesamten Handlung präsent ist und durch ihre gradezu perfekte Planung der Kassettenverteilung scheinbar weiterhin am Leben ihrer Mitmenschen teilnimmt. Der Zuscheuer neigt dazu, sie für diese Perfektion zu bewundern, während Hannah es regelrecht zu genießen scheint, wie sie ihre Mitschüler mit ihrem Tod konfrontiert und ihnen mit jeder Kassette mehr und mehr die Schuld daran gibt.

Clay mit einer Kassette in der Hand

Diese Darstellungsweise lässt Selbstmord als legitimen Ausweg erscheinen und zeigt nicht auf, dass es auch andere Wege gibt, Mobbing und Depressionen zu entkommen. Ich persönlich sehe das als sehr kritisch an, da die Serie damit ein hohes Nachahmungspotenzial bietet.
Mit dieser Einschätzung bin ich nicht alleine. Dr. Niklas Gebele bloggt unter dem Namen Charakterneurosen über psychoanalytische Einschätzungen verschiedener Charaktere aus Filmen und Serien. Er hat eine äußerst objektiven Artikel über diese Serie geschrieben, den ich hier gerne als Lesetipp empfehle.

„Tote Mädchen lügen nicht“ ist zweifellos eine gut gemachte Serie, jedoch ist sie zugleich auch sehr harter Stoff für Menschen, die in einer Krise stecken. Vermittelt sie jedoch leider nicht das, was sie versucht zu vermitteln. Netflix wird nicht müde, zu betonen, dass diese Serie wachrütteln soll und zum Nachdenken anregen soll. Der Spruch „Gut gemeint ist nicht gut gemacht.“ trifft hier leider voll ins Schwarze. Wenn die falsche Person die Serie zum falschen Zeitpunkt sieht, kann sie durchaus zur Gefahr werden.

Ich gebe an dieser Stelle bewusst keine Sterne-Bewertung ab. Denn ich müsste den Produktionswert der Serie durchaus mit vielen Sterne belohnen, jedoch aufgrund der Thematik und der Gefahr, die dahinter steckt, alle Sterne wieder abziehen. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich die zweite Staffel ansehen werde. Allerdings möchte ich an dieser Stelle bereits für die erste Staffel eine Warnung aussprechen.

Schaut die Serie nicht alleine. Seht sie Euch mit Freunden an und diskutiert ernsthaft darüber. Reflektiert die Inhalte sorgfältig und objektiv. Wenn Ihr Euch unsicher seid, kontaktiert die DGS unter 0800 111 0 111 (Telefonseelsorge) oder https://www.jugend.support/ wenn Ihr Hilfe braucht. Hilfe zu suchen ist keine Schande!

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