Ein Tag frei in Pleinfeld

Es ist ein warmer Tag in Pleinfeld und ich habe frei. Den Morgen innen zu verbringen hat seinen Charme, doch heute nutze ich doch mal den mich beherbergenden Ort und fahre mit meinem Fahrrad einen Frühstückskaffee finden. Die lokale Bäckereikette bietet mir einen Platz und einen fairen Preis und ich beobachte, wie sich die Filiale mit Menschen füllt und leert. Ein Bäcker zwischen zwei Metzgereien, hoch frequentiert, scheint nur der erste. Es ergibt sich mir nicht.

Von der großen Stadt in einen 4000-Einwohner-Ort zu ziehen hat viel Veränderung mit sich gebracht, doch zum Glück ist das Dorfsterben in Pleinfeld durch den Tourismus aufgehalten worden. Davon will ich meine Eindrücke schildern.

Mein Nachbar erzählte mir von den alten Zeiten. Nebenan war mal ein Schmied, da ist nun eine Wiese, und weiter vorne war ein Baustoffhandel, da ist nur noch ein Schild übrig. Schilder gibt es viele, von Betrieben, die es mal gab. Eine Wäscherei, weitere Bäckereien, Uhrmacher und Schmuckgeschäfte. Sie existieren alle nicht mehr. Wenn ich etwas gewaschen haben möchte, dann kann ich es an der Tankstelle abgeben, wenn ich eine Uhr repariert haben möchte, fahre ich in den nächsten Ort.

Dafür gibt es einen großen NKD. Viel zu groß ist dieser. In Nürnberg sind diese Filialen immer 30 % zu klein und so dicht gestapelt, dass man Angst hat, erdrückt zu werden. Doch nicht in Pleinfeld. Hier ist Platz wie in einer Boutique und die Umkleidekabinen sind nicht vollgestellt mit leeren Kartonagen. Cool. “Hier war mal der Edeka”, meint eine Frau auf einer Bank, die sich mit mir unterhält. “Ist jetzt draußen am Ort, jetzt ist da der NDK, und da drüben war mal ein Schlecker”. Der Edeka ist am Ortsrand, zusammen mit einem Möbelladen und einem Discount-Baumarkt. Natürlich mit genügend Parkplätzen für drei Orte. Ich kaufe mir eine kurze Hose beim Klamottengeschäft, sie ist im Angebot. Ein guter Start.

Der leere Schlecker war danach ein Fahrradladen, der ist aber verschwunden, meinte eine Ladenbetreiberin in der Nähe, und dann ist ein anderer Fahrradladen eingezogen, der ist jetzt aber auch weg. Doof. Mein Fahrrad kann ich im Ort nicht mehr warten lassen. Zwar hat der Campingplatz noch einen Verleih, eine Werkstatt gibt es nicht mehr. Ich musste dieses Jahr lernen, meine Bremse selbst festzuziehen. Aus zwei wird keins. “Wenn einmal was weg ist, kommt es nicht wieder”, sagte mal ein Experte im BR zum Einzelhandel am Land. Hier stimmt das nur teilweise.

Was der Ort hat, und das in 20 Meter Nähe, sind Blumengeschäfte. Hier gibt es alles, von der Topfpflanze bis zum Rosenstrauß. Ich gehe immer nur in einen Laden. Das hat keinen Grund, aber irgendwie hat sich das so ergeben. Heute muss ich einen Topf finden. Meine kleine Aloe-Vera-Pflanze, die ich kostenlos in einem Biergarten erhielt, braucht einen echten Pot und der Laden hier hat auch Töpfe. “Gehn Se ma um die Eckn, da steht noch mehr, aber ducken”, rät mir die Verkäuferin und ich entdecke ein Dekoparadies, welches die Titelseite der ganzen “Landlust”-Magazine, blass aussehen lässt. Über zwei Treppen komme ich in ein rustikales, umgebautes Gewächshaus, welches voll ist mit riesigen Tischen und den tollsten Töpfen und Vasen, die man sich vorstellen kann. Ich bin erschlagen von der Auswahl und kämpfe mich durch und schlage mit dem Kopf hart gegen einen Metallträger. Glücklicherweise hatte ich meinen Fahrradhelm aufbehalten, sonst wäre der Tag hier geendet. Ganz hinten finde ich einen Tontopf in unglaublicher Qualität, er gehört zu einem Viererset, ich nehme den größten. Auf der Rückseite ist er mit 30 DM ausgezeichnet, im Jahr 2023 eine Seltenheit.

“Hamse aber Glück gehabt mit dem Helm”, meint die Verkäuferin an der Theke und nimmt meine Ware entgegen. Sie schaut auf den Preis und begutachtet die Ware. “Machen wir 15 €. Da ham Se was ganz Schönes, sowas gibt heut gar net mehr, bekommens nirgendwo mehr”, sagt sie nostalgisch. Ich fühle mich, als hätte ich ein Stück Historie gekauft, für einen Schnäppchenpreis. War es falsch, nicht das gesamte Set zu nehmen?

Nette Orte zum Ausruhen finde ich mit dem Fahrrad hier schnell.

Ich fahre zum Penny. Dort hole ich mir mein Mittagessen und Monster Energy. Es ist nicht viel los, aber im Laden wird kräftig umgeräumt. “Liebe Nachbarn, dieser Penny wird eine Festival-Filiale“, steht auf einem Schild, die Mitarbeiter haben extra T-Shirts. Das passiert jedes Jahr: Der ganze Laden wird mit Red Bull, Cola und Dosenbier vollgestellt, ein Bus-Shuttle fährt die Besucher zum Einkaufen und im Anschluss werden wochenlang die Reste abverkauft, weil sich doch keine Paletten an Coladosen verkauft haben und die stehen dann im Weg.

Gegenüber im Schreibwarenladen bekommt man alles, was man sich vorstellen kann. Hier habe ich schon Sparbüchsen als Geschenk und Stifte für die Arbeit erhalten. Passfotos, Socken, Gotteslobeinbände und Spielzeug gibt es auch. Natürlich. Finde ich nett, hoffentlich bleibt dieser.

Auf dem Rückweg gebe ich ein Paket bei der Post ab. Naja, es ist nicht wirklich eine Post, es ist ein “Army Shop”, der auch Post macht. Man kann Briefe abgeben, Pakete holen und sich Ordner kaufen. Ganz viele Grußkarten gibt es auch, man ist gewappnet. “Zumindest gibt es noch eine Post”, denke ich mir, als ich merke, wie viele Leute in der Schlange mit dem Auto hierher fahren mussten. Die Nachbarorte haben diesen Luxus nicht mehr, Pleinfeld hat sogar noch einen GLS, einen Hermes und eine Packstation.

Am Rathaus besuche ich mal die Touristeninformation. Bei meinen Spaziergängen zum Abendgebet an einer der vielen Kapellen hier wird immer der Flyer für den Kapellenweg an Schildern beworben. Diesen will ich, nach drei Jahren, nun mal holen. Da soll nochmal wer sagen, Werbung funktioniert nicht. Die Mitarbeiterin muss ein bisschen suchen, zieht dann aber einen etwas vergilbten Flyer heraus, der mir eine Karte bietet. Cool. Überraschend unkompliziert ist das hier generell. Ummelden ging damals ohne Termin, meine Hausnummer konnte ich formlos ändern und jetzt habe ich diesen tollen Flyer. Da träumt man in Berlin von. Naja, würden sie, aber man bekommt in Berlin aktuell keine Termine, um träumen zu dürfen.

Fahrrad wieder abgestellt, absperren brauche ich nicht. Nicht weil hier nichts geklaut wird, sondern, weil überall die E-Bikes stehen, die sind so viel teurer, da mache ich mir keine Sorgen um mein oranges Mountain Bike. Jetzt laufe ich noch zum Wertstoffhof. Wenn man zu Fuß unterwegs ist, muss man nicht in der Autoschlange stehen, um etwas abzugeben und gelbe Säcke zu erbeuten.

Abends erinnert mich die Abfall-App, die Mülltonnen rauszustellen. Überraschend modern für so eine Gemeinde, aber cool. Meine Frau sitzt am Fluss, bis die Sonne untergeht, ich schaue Wrestling am Sofa. “Today was a good day”, würde Ice Cube zusammenfassen.

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