Eurovision Enttäuschungs Contest 2020

Zugegeben, der Titel ist etwas reißerisch, aber genauso fühle ich mich gerade, nachdem ich das deutsche Ersatzprogramm zum ESC 2020 in der ARD gesehen habe. Als eingefleischter ESC-Fan habe ich mich dazu entschieden, an diesem Abend das Programm im Ersten zu gucken und Stefan Raabs Gegenprogramm, den #FreeESC, erst später in Catch-Up anzusehen. Einfach weil ich am ESC hänge und dem Original vertraue.

Das war ein Fehler …

Ich kann es kaum in Worte fassen, was die ARD da hingerotzt hat. Bitte entschuldigt meine Wortwahl, aber ich kann leider keine wohlwollenderen Worte dafür finden.

Barbara Schöneberger führte durch die Sendung und betonte bereits zu Anfang, dass es sich um „das Original“ handle, was schon per se gelogen ist. Im Laufe der Sendung wurde sie nicht müde zu betonen, dass es kein Publikum gäbe und man merkte ihr irgendwie an, dass sie darüber nicht so erfreut war. Nun, es ist auch für Moderatoren eine Kunst, eine Stimmung über die Kamera herüberzubringen, die nicht da ist.
Man hätte fast glauben können, Barbara sei persönlich beleidigt über das fehlende Publikum.

Auch die An- und Abmoderationen mancher Beiträge ließen einen gewissen Respekt vor der Darbietung vermissen.

Aber auch im Gesamten betrachtet, war die gesamte Produktion äußerst dünn. Man hatte einfach eine LED-Wand auf die Bühne der Elbphilharmonie gestellt und zack, feddich: Bühnenbild.
Für die Sendung wurden 10 „Finalisten“ ausgewählt, von denen aber nur eine Hand voll auch wirklich anwesend waren um ihren Song zu performen. Verständlich, aber unnötig. Denn dadurch verkam das Programm eher zu einer Clip-Show wie man es früher von VIVA kannte.

Sind wir mal ehrlich: Auch wenn die Möglichkeiten im Moment eingeschränkt sind, die ARD könnte sowas eigentlich besser. Ich habe den Eindruck, das wurde alles schnell, schnell auf den letzten Drücker organisiert. Offenbar hat man da in Kauf genommen, lieber eine schlechte Produktion abzuliefern als gar keine.

Für die 10 ausgewählten Finalisten wurde dann der selbe Votingmodus wie im richtigen ESC angewandt, um daraus einen Gewinner zu ermitteln. Die ARD hat hier also versucht, den großen ESC im Miniformat abzuhalten.

Das ganze Trauerspiel dauerte über zwei Stunden und zog sich am Ende vor allem auch durch die mehrfache unnötige Wiederholung des Schnelldurchlaufs in die Länge. Dadurch verzögerte sich die Ausstrahlung von „Europe shine a light“ nicht nur um eine, sondern sogar fast um eineinhalb Stunden.

Man muss dazu wissen, dass die EBU, die den Eurovision Song Contest über alle teilnehmenden Länder hinweg organisiert und ausrichtet, bereits zuvor eine Ersatz-Show angekündigt hatte, um den ausfallenden ESC und die teilnehmenden Künstler zu würdigen. „Europe shine a light“ war das Motto der Produktion, die Europaweit um 21 Uhr ausgestrahlt wurde.

Außer in Deutschland. Denn um Platz für den „Mini-ESC auf Sparflamme“ zu haben, wurde die Ausstrahlung einfach auf 22 Uhr verschoben. Da Barbara Schöneberger aber gnadenlos überzogen hatte, startete die Ausstrahlung nochmal weitere 20 Minuten später.

Doch ging es zum Glück bergauf. Denn „Europe shine a light“ war das absolute Kontrastprogramm. Würdig, professionell, durchgeplant.
Aus Versicherungsgründen dürfen die teilnehmenden Songs nicht komplett gespielt und auch kein Gewinner gekürt werden. Vermutlich weil die Versicherung sonst nicht für die Kosten des Ausfalls aufkommt. Verständlich.

Apropos Gewinner: Für Deutschland ist der Ausfall des ESC besonders bitter, denn die internationalen Buchmacher hatten Ben Dolic einen Top10-Platz vorausgesagt.
Ginge es nach den Nutzern von Spotify, hätten wir sogar den zweiten Platz hinter Island belegt. (Gemessen nach der Anzahl der angespielten Titel auf Spotify)
Die ARD kürte den Beitrag aus Litauen als Gewinner der Herzen, welcher neben Island auch zu meinen Favoriten gehörte.

So traurig ich über die Absage des ESC in diesem Jahr bin, so wütend bin ich aber auch über die Ersatzveranstaltung der ARD. Die hätte man sich komplett sparen können. Das Geld hätte man genauso gut auch verbrennen können. Und ich verstehe nicht, weshalb man um jeden Preis ein eigenes Programm auf die Beine stellen musste und dabei das Fehlen jeglicher Qualität in Kauf nahm. Offenbar hatte man hier keinerlei Anspruch an sich selbst gehabt.

Über Twitter konnte ich verfolgen, dass der #FreeESC von Stefan Raab die vermutlich bessere Veranstaltung gewesen wäre. Während ich diesen Beitrag verfasse, habe ich ihn noch nicht gesehen und kann leider noch nichts dazu sagen.

Thomas Schreiber, beim NDR für den ESC verantwortlich sagt in einem Interview mit ESC-Kompakt:

Wenn’s Stefan Raab um die Musiker gegangen wäre, hätte er es an einem anderen Tag gemacht, aber vermutlich ging es mehr um den Produktionsauftrag ….

Große Worte für jemanden, der dann am Ende so einen Dünnschiss abgeliefert hat. Vermutlich war er etwas beleidigt, dass er mit seinem Ersatzprogramm auch noch mit Raab konkurrieren muss. Stefan Raab hat das Konzept ursprünglich zuerst dem NDR angeboten, doch Schreiber lehnte ab. So ein Pech …

Gut, nach allem was ich bisher gelesen habe, war der #FreeESC auch eher etwas halbgar. Durchweg deutsche Künstler, die irgendeine Verbindung zu einem anderen Land hatten. So reichte es bei Nico Santos schon aus, auf Mallorca zur Schule gegangen zu sein um für Spanien anzutreten. Und weil offenbar nicht genug Länder vertreten waren, trat sogar noch Max Mutzke alias Der Astronaut für den Mond an. Die Vorstellung der einzelnen Länder mutete durch die TV-Total-Offstimme eher wie eine, zugegeben witzige ESC-Parodie an. Letztlich war es vielmehr ein Klon des Bundesvision Song Contest. Nur ohne Publikum und mit Plexiglas zwischen den Moderatoren.

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