Seit Jahren halte ich immer mal wieder bei Entwicklerkonferenzen den Vortrag, dass man doch mehr ausbilden sollte. Ich hoffe innig, dass ich damit zu dem ein oder anderen durchdringe, aber was mir klar geworden ist: Für viele ist eine Ausbildung etwas Fremdes, das man gar nicht kennt und was fern vom Alltag ist, ich möchte etwas aufklären.
Ich habe den Luxus, zwei Ausbildungen zu besitzen, ich habe 10 Jahre nebenbei als Mesner gearbeitet, sodass ich mich nun als gelernter Mesner bezeichnen darf, primär bin ich aber Fachinformatiker der Anwendungsentwicklung. Diese IHK-Ausbildung absolvierte ich zum Beginn des letzten Jahrzehntes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und konnte diese nach drei Jahren abschließen.
Was ist eine Ausbildung?
Eine Ausbildung ist das Studium des Arbeiters. Sie dient dazu, die nicht-studierten Arbeitskräfte zu qualifizieren und in eine Position als Facharbeiter zu bringen. Je nach Beruf werden Ausbildungen betrieblich oder schulisch absolviert, und von verschiedenen Kammern geregelt. Bei Handwerkern z. B. von der Handwerkskammer, bei kaufmännischen Berufen von der IHK.
Praktisch bewirbt man sich meistens bei einem Betrieb um eine Ausbildung, dieser schließt einen Vertrag für die Ausbildungsdauer (2-4 Jahre) mit einem ab und man absolviert dort seine Lehre. Zwischendurch geht man in die Berufsschule und am Ende schreibt man eine Prüfung. Dann hat man seinen Beruf erlernt und kann sich damit bewerben, oder, wie der Großteil aller Azubis, wird in den ausbildenden Betrieb übernommen.
Während der Ausbildung verdient man wenig. Zwischen 700 und 1200 € sind normal, man verdient also weit weniger als den Mindestlohn, aber dafür erhält man bei gutem Verlauf eine echte Qualifikation.
Was bringt mir, als Betrieb, das?
Egal welche Branche, überall höre ich das Klagen über den Mangel an Fachkräften. Ein Mittel dagegen ist die Ausbildung. Kommen die Fachkräfte nicht zu mir, so mache ich mir meine eigenen. Ich kann gezielt die Berufe ausbilden, welche ich brauche, und der fertige Azubi braucht keine Anlernzeit. Er kennt das Personal, er kennt die Technik und er kennt das Produkt. Einen besseren Mitarbeiter finde ich kaum auf dem freien Markt.
Hinzu kommt, dass es keine treueren Mitarbeiter gibt als die, welche bei mir ausgebildet wurden. Natürlich steht es einem Fertiggelernten frei, sich eine Anstellung bei einem anderen Betrieb zu suchen, das ist aber recht selten. Die meisten verbleiben lange im Betrieb und engagieren sich selbst in der Ausbildung der nächsten Generation.
Langfristig schaffe ich eine „Pipeline“ an neuen und motivierten Arbeitskräften, die genau zu meinem Betrieb passen und die Skills besitzen, welche ich für den betrieblichen Erfolg brauche.
Wie bilde ich denn nun aus?
Ausbilden kann so ziemlich jeder Betrieb, man muss es nur wollen und ein paar Voraussetzungen erfüllen. Für jeden Beruf, welchen ich neu ausbilden möchte, muss ich meinen Betrieb von der Kammer auf Eignung prüfen lassen. Also für Fachinformatiker Anwendungsentwicklung muss ich zeigen, dass ich Computer und Softwareentwickler im Betrieb habe. Das hört sich schlimmer an als es ist und dauert meist nur eine halbe Stunde.
Zudem brauche ich eine*n Ausbilder*in. Diese*r muss zwar formal nur einen Meister oder einen ADA-Schein besitzen, ich empfehle jedoch mehr Qualifikationen. Ein*e Ausbilder*in muss sich vor die Azubis stellen und deren Interessen immer an die erste Stelle setzen, auch wenn dies gegen die Interessen der Geschäftsführung geht. Die persönliche und fachliche Entwicklung der Azubis muss die absolute Priorität sein.
Das ist aus zweierlei Gründen wichtig: Zum einen tendiert ein Betrieb zu schnell dazu, Azubis als günstige Hilfskräfte einzusetzen, dies führt jedoch dazu, dass ich am Ende keine Fachkräfte, sondern Hilfsarbeiter mit Berufserfahrung habe. Das bringt den Betrieb nicht weiter.
Zum anderen ist es Ehrensache. Auszubildende sind keine bloßen Zahlen, es sind effektiv Kinder, welche in meinem Betrieb langsam das erlernen, wovon sie bis zur Rente ihren Lebensunterhalt bestreiten sollten. Wenn man diese schlecht behandelt, kündigen sie früher oder später und für den Betrieb ist nichts gewonnen.
Und wen bilde ich nun aus?
Alle. Absolut alle.
Die Ausbildung hat keine gesetzlichen Standards. Ich darf alle ausbilden, solange diese arbeiten dürfen. Voraussetzungen irgendwelcher Schulabschlüsse sind reine betriebliche Voraussetzungen und die Erfindung von faulen Personalabteilungen. Egal wie alt und wie schlecht qualifiziert, schau dir so viele Bewerber an wie möglich. Ausbildungen sind so gestaltet, dass sie ohne Vorkenntnisse absolvierbar sind und das sollte ein Betrieb auch leben. Egal, ob der Quereinsteiger 45 ist oder jemand mit einem Scheiß-Hauptschulabschluss: So lange die Person eine echte Motivation hat, ist der Beruf erlernbar.
Ausbilden ist anstrengend, zeitaufwendig und teuer. Aber ich kann etwas für die Zukunft schaffen. Das meiste, woran ich in den letzten 10 Jahren gearbeitet habe, ist schrott, aber ich bin stolz auf meine Jungs, denen ich zumindest etwas helfen konnte, ins Leben zu finden.
Persönlich hat mir die Ausbildung so ziemlich alles ermöglicht, was ich im Leben erreicht habe. Wer auf die doofe Idee kam, mich einzustellen, ist mir nicht bekannt, aber ich kann sagen, dass ich in einer Bundesbehörde drei Jahre Scheiße verzapfen konnte, um ein ganz guter Entwickler zu werden und jetzt meine Familie davon ernähren kann. Dafür bin ich dankbar, aber ich sehe es auch als meine Aufgabe an, dies weiterzuführen und anderen jungen Menschen die Chance zu geben, etwas aus sich zu machen, auch wenn diese nicht in die Rahmenvorstellungen passen.
Und überhaupt, wer denkt, er könnte die Zukunft eines jungen Menschen anhand seines Schulabschlusses beurteilen, sollte nicht in einer Position sein, ein solches Urteil zu fällen.