Auf dem letzten Meter ver(s)endet

Die meisten Castingshows würde ich locker mit der Pest gleichsetzen, weil die Kandidaten oftmals bewusst lächerlich gemacht und vorgeführt werden. Das ist teilweise äußerst entwürdigend und Menschen verachtend. Allen voran steht da Deutschland sucht den Superstar. Wenn man nicht singen kann, kommt man dennoch ins Fernsehen, denn immerhin kann man sich ja noch darüber lustig machen.

Doch dann gibt es da noch das Licht am Ende des Tunnels. Eine Castingshow, die vollkommen ohne diese Klischees auskommt. Eine Show, in der Talente wirklich noch wie Talente behandelt werden und die, die den Anforderungen nicht entsprechen, gar nicht erst gezeigt werden.

Die Rede ist von „The Voice of Germany“. Hier gibt es bereits ein Casting und eine Vorauswahl unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur wer gut genug ist, darf in den Blind Auditions auftreten, in denen die Jury bzw. die Coaches nur anhand der Stimme über das Weiterkommen entscheiden. Ich sehe mir diese Show sehr gerne an und konnte bisher noch keine Folge erleben, in denen ein Teilnehmer wirklich negative Kritik erhalten hat. Hat es nicht für die nächste Runde gereicht, war die Kritik immer konstruktiv. Und das ist das, was ich von einer Castingshow erwarte, die sich von der Sensationsmaschinerie abheben will.

Nicht ohne Grund waren schon mehrere Teilnehmer und Gewinner von The Voice bereits Teilnehmer des Eurovision Song Contests oder des Vorentscheids. Michael Schulte, der im letzten Jahr immerhin den 4. Platz beim ESC belegte, war bei The Voice sogar nur drittplatzierter. Das sagt viel über die Qualität der Show aus.

Doch nun wurde ich leider vom Konzept der Show enttäuscht. Seit längerer Zeit gibt es mit The Voice KIDS einen Ableger der Show speziell für jüngere Teilnehmer. Der Sieger des Talentwettbewerbes bekommt ein Ausbildungsstipendium in Höhe von 15.000 € und einen optionalen Plattenvertrag. Die Eltern des Siegers entscheiden, ob sie diese Option wahrnehmen oder nicht.

In diesem Jahr gab es den zweiten Ableger für Sänger/innen ab 60 Jahren: The Voice Senior.
Darauf war ich sehr gespannt, da die meisten Castingshows eine Altersgrenze und somit ja nur junge Talente eine Chance haben. Die Senior-Ausgabe war jedoch deutlich kürzer und umfasste nur 4 Ausstrahlungen, was vermutlich auch an der geringeren Teilnehmerzahl lag.

Bereits in der ersten Folge hatte ich meinen Favoriten fest. Es war Dan Lucas, der das Publikum zum Ausrasten und die Coaches fast zum Niederknien brachte. Und nur wenige Talente bekommen, wie er, die Chance, in den Blind Auditions noch eine Zugabe zu spielen.

 

Ich kann nun vorweg nehmen: Ich hatte Recht und Dan Lucas gewann am Ende The Voice Senior. Für mich war das sonnenklar, für andere vermutlich zumindest absehbar. Doch warum bin ich nun enttäuscht, wo doch sogar mein Favorit das Rennen machte?

Es war eher die Aufmachung, die mich am Ende störte. Dass diese Staffel etwas kürzer als eine reguläre The Voice Staffel gewesen war, war ja okay und verständlich. Doch die Finalshow kam mir direkt seltsam vor. Der Modus war klar und wurde erklärt: Die Coaches entscheiden zunächst selbst, welche vier der verbliebenen acht Kandidaten übrig bleiben. Aus diesen vier Kandidaten würde dann der Zuschauer per Televoting den Sieger wählen.

Bei einer Telefonabstimmung steht der Gewinner also erst nach Auswertung der Stimmen fest. Die Sendung muss also Live sein. Doch das stand zu keiner Zeit im Bildschirm eingeblendet, wo die Sender das doch gerne anzeigen, falls dem so ist. Das kam mir komisch vor. Wenn die Sendung aufgezeichnet war, hatte der Sender dann unterschiedliche Versionen der Gewinnerbekanntgabe aufgezeichnet?

Das wäre schon relativ fies für die Kandidaten. „So, jetzt freut sich mal bitte der Willi ganz doll, als hätte er gewonnen, Danke. So und jetzt das Gleiche nochmal für den Dan …“ Ne, das konnte ich mir nicht vorstellen. Tatsächlich war es noch viel schlimmer.

Thore Schölermann moderierte den letzten Teilnehmer ab und leitete zur Abstimmung über. Er verriet, dass die Show bereits am 1. Dezember 2018 aufgezeichnet wurde und man jetzt eine Zeitreise machen würde. Und zwar in die Gegenwart zum 4. Januar 2019. Nach einem Schnitt war es zunächst dunkel und als es hell wurde, hatte ich den Eindruck, ab jetzt läuft die Produktion auf kleinster Sparflamme.

Kein Publikum mehr, keine Coaches und auch die Co-Moderatorin Lena Gercke war nicht mehr da. Stattdessen saß Thore nun mit den vier Finalisten in einem kleinen Studioset auf einer Couch und hielt Small-Talk. Rief mehrfach mit immer wiederkehrenden Wiederholungen zum Voting auf und rührte die Werbetrommel für kommende Sat.1-Shows wie z.B. Dancing on Ice oder The Voce Kids. Dieser Teil der Show war zwar nun live, hatte aber eher den Charakter einer Garagenparty. (Danke an DWDL für diese passende Beschreibung)

Es war nahezu unerträglich, dieses Trauerspiel bis zum Schluss anzusehen. Der Gewinner freute sich zwar, aber diese Art der Gewinnverkündung zeugt schon von hoher Respektlosigkeit.

Sat.1 hat mittlerweile auf den Shitstorm reagiert und sich für diese Art der Produktion entschuldigt. Sollte es eine weitere Staffel von The Voice Senior geben, so werde man die Kritik der Zuschauer berücksichtigen. Das wäre auch angebracht, denn nach diesem Debakel würde ich es mir zweimal überlegen, ob ich mich für dieses Format bewerben wollen würde.

Zudem teilte der Sender mit, die Aufzeichnung des Finals hätte aus produktionstechnischen Gründen schon im Dezember stattfinden müssen. Was das bedeutet ist unklar. Ich vermute aber, dass die Aufzeichnungen parallel zu den Aufzeichnungen von The Voice of Germany stattgefunden haben, um die bereits aufgebauten Studiosets mit nutzen zu können. Die insgesamt 3 verschiedenen Studiosets für lediglich 4 Sendungen separat auf- und wieder abzubauen wäre vermutlich zu teuer für einen Showableger gewesen, von dem man noch keine Ahnung hatte, welche Quoten dieser einfahren würde. Die waren nämlich von Ausstrahlung zu Ausstrahlung rückläufig, was aber vermutlich an der Programmierung über die Feiertage liegen könnte.

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