Wie arbeitet eigentlich ein Abgeordneter des Bayerischen Landtags? Einblick eines Mitarbeiters

Irgendwann 2018 wurde ich Teil des Wahlkampf-Teams von Matthias Fischbach. Einige Monate später zog die FDP, etwas knapper als erhofft, mit 5,1 % in den Bayerischen Landtag ein und ich wurde als Mitarbeiter des Abgeordneten angestellt. Aber was macht so ein Abgeordneter eigentlich den ganzen Tag und wozu braucht er Mitarbeiter?

Wie organisiert man denn ein Landtagsmandat?

Abgeordnete in Bundes- und Landtags arbeiten in ihrem Mandat nicht alleine. Sie schließen sich in der Regel einer Fraktion an, um mehr Themen abdecken zu können und natürlich, um gemeinsam ihre Ziele umzusetzen. Diese Fraktion hat wissenschaftliche Mitarbeiter, welche Themen genau ausarbeiten können, und Funktionsmitarbeiter wie Pressesprecher oder Veranstaltungsmanager. Dafür hat jede Fraktion ein Budget für Personalkosten; wer und in welcher Funktion eingestellt wird, entscheidet die Fraktion selbst.

Ein Abgeordneter ist komplett unabhängig, also nicht Mitarbeiter der Fraktion, sondern nur ein Teil dieser. Er muss sich selbst so organisieren, wie er das für richtig hält und dabei kann auch niemand Einfluss darauf nehmen. Um die Arbeit zu realisieren, bekommt er ein Budget vom Landtag gestellt. Es stehen Gelder stehen für IT, Wahlkreisbüro und Mitarbeiter bereit. Diese Mitarbeiter unterstützen den Abgeordneten in seiner Arbeit, je nachdem was dieser möchte. Einer dieser Mitarbeiter war ich, nur in einem Minijob, da man als Landtagsabgeordneter eher keinen Softwareentwickler in Vollzeit braucht.

Tabelle: Budget eines Bayerischen Landtagsabgeordneten (Stand 2018):

Gehalt des Abgeordneten (steuerpflichtig) 8.183 € pro Monat
Kostenpauschale (für Büro, Materialien etc.) 3.453 € pro Monat
IT-Pauschale (15 % Eigenanteil) 12.500 € pro Wahlperiode
Budget für Mitarbeiter 128.546,20 € jährlich

Quelle: Transparenzbericht Landtag 2018

Ein Abgeordnetenbüro aufbauen

Die FDP ist 2018 in den Landtag eingezogen, nachdem sie in der vorhergehenden Wahlperiode dort nicht mit einer Fraktion vertreten war. Es war also auch keine Infrastruktur vorhanden und alles musste neu aufgebaut werden. Im Bundestag erhält der Gewählte eine Art Starterpaket, welches u. a. Laptops und fertig konfigurierte E-Mail-Adressen enthält. Im Bayerischen Landtag gibt es eine IT-Pauschale, aber keine Hardware. Nur ein Postfach im Landtag wird zugeordnet und ein Ausweis sowie eine Netzkarte für Bayern, mit welchem man im Freistaat gratis Bahn fahren kann.

Also war mein erster Auftrag klar: IT hochziehen. Server mit Clouds aufgesetzt, Mails konfiguriert, Hardwareverschlüsselungen aktiviert und alles möglichst kosteneffizient und sicher. Dank Hetzner auch mit Ökostrom und Daten in Mittelfranken.

Und noch ein Büro bitte

Der Landtag ist zentral in München, aber die Wähler sind es großenteils nicht. Deshalb haben die meisten Abgeordneten ein Wahlkreisbüro, um einen Ort für Veranstaltungen, Gespräche und als Arbeitsplatz für Mitarbeiter vor Ort zu bieten. Das Büro fand sich recht schnell, musste aber auch erstmal eingerichtet werden. Das war zwar aufwendig, aber ich kann nun endlich die ewige Frage beantworten: „Was macht man als Abgeordneter Freitag abends? Mit dem Mitarbeiter bei IKEA diskutieren, ob weiße oder beige Schränke repräsentativer aussehen.“

Das Wahlprogramm muss umgesetzt werden

Jede Partei gibt sich ein Programm, mit dem sie versucht den Wählern zu vermitteln, welchen Plan sie für Bayern hat. Herr Fischbach wurde in den ersten Wochen von der FDP-Fraktion zu ihrem bildungs- und religionspolitischen Sprecher gewählt, also mussten die entsprechenden Passagen zur Umsetzung angegangen werden. Hierzu hat ein Abgeordneter einige Möglichkeiten:

Anfragen

Es gibt verschiedene Arten von Anfragen, von der Funktion sind diese aber alle sehr ähnlich. Jeder Abgeordnete kann die Staatsregierung, also den Ministerpräsidenten und seine Minister und Staatssekretäre, befragen und diese müssen binnen einer Frist antworten. Der wichtige Punkt hier ist das „müssen“. Mit guten Anfragen kann man Informationen erhalten, welche dabei helfen, bessere Anträge und Gesetzentwürfe zu schreiben oder die Regierung unter Druck setzen, indem man Aufmerksamkeit auf etwas lenkt. Hier könnt ihr nachschauen, was da so eingebracht wird.

Ein Beispiel hierfür ist eine der ersten Anfragen, in der das Thema Obdachlosigkeit behandelt wurde.

Hier wird die Staatsregierung mit der Anfrage dazu gezwungen zuzugeben, dass diese nicht weiß, wie viele Obdachlose es in Bayern gibt. Dies wurde dann auch medial aufgegriffen und die Staatsregierung musste sich erklären. Kein großes Spektakel, aber gute Oppositionsarbeit.

Anträge

Anträge sind das zweite wichtige Instrument der Abgeordneten und über diese Anträge wird im Landtag abgestimmt. So kann man beantragen, dass die Staatsregierung etwas tut.Außerdem kann man Gesetzesinitiativen zur Abstimmung stellen. Diese können mit Informationen aus den Anfragen und eigener Recherche, aber natürlich auch mit Input von Verbänden, der Partei oder Wählern erstellt werden. Hier ein Antrag welcher sich u. a. aus der oben genannten Anfrage zu Obdachlosigkeit speist.

Und dann sind ja da noch die Bürger

Wahlbezirke sind recht groß und es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, welche vertreten werden wollen. Diese sollte man auch mal versuchen zu treffen und zu informieren, was sich oft schwerer gestaltet als erhofft. Das Büro muss ein Medienkonzept erstellen, um zu vermitteln, was der Abgeordneter überhaupt tut und vorhat. Social Media könnte hierbei hilfreich sein, jedoch ist das Interesse dort, insbesondere wenn man kein Fraktionsvorsitzender oder Minister ist, oft begrenzt. Es wird also das ganze Programm gefahren: Treffen, Interviews, Pressemitteilungen, Facebook-Posts und Instagram-Stories.

Natürlich wenden sich auch Bürger an ihre Abgeordneten. Vieles hiervon sind Kettenbriefe, also meist E-Mails, die an jeden gehen, oder Verschwörungstheorien bzw. Forderungen, welche vor Absurdität nur so strotzen. Mein persönlicher Favorit waren zwei Briefe: der eine forderte, alle Akademiker aus dem Land zu verbannen, der andere alle Nicht-Akademiker. Schwer, es da jedem recht zu machen.

Die ernsthaften Anliegen machten zwar die Minderheit aus, waren jedoch die wichtigsten und wurden auch einzeln behandelt. So schrieb eine Schülerin über Probleme mit dem Schulgeld an ihrer Berufsfachschule, woraufhin die Schule erstmal besucht wurde und anschließend im Landtag mit mehreren Debatten eine Verbesserung erreicht werden konnte. Insgesamt kann ich jedoch resümieren, dass zu wenige diesen Weg nutzen. Wer seinem eigenen Abgeordneten gelegentlich eigenständig schreibt, insbesondere derjenige, der sich vorher informiert, wer zuständig ist, gehört automatisch zu den oberen 5 % der politisch Einflussreichsten im Land. Allein weil die Themen, welche einem wichtig sind, im Abgeordnetenbüro zur Sprache kommen.

Nach einem Jahr war dann auch wieder gut

Stressig war es schon, insbesondere die Unvorhersehbarkeit vieler Dinge machte die Arbeit neben meinem Vollzeitjob als Fachinformatiker in Nürnberg anstrengender als ich mir zuerst eingestehen wollte. Daher warf ich nach einem Jahr das Handtuch und konnte auch direkt aufhören, da ich etwas zu viele Überstunden hatte. Ich bin zuversichtlich, dass das verbleibende Team das gut hinbekommt. In diesem Jahr habe ich gelernt, wie genau der politische Prozess funktioniert und wie man sich selbst als einfacher Bürger politisches Gehör verschaffen kann.

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